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Bhutan Reisen sind selbst unter abenteuerlustigen, kulturell interessierten Asienliebhabern noch ein absoluter Geheimtipp. Zu wenig ist in der Öffentlichkeit bekannt über das geheimnisvolle Königreich im Süden Asiens, welches von den Einheimischen auch „Land des Donnerdrachens“ genannt wird und nur etwa 690.000 Einwohner zählt.
In der Klosterburg Paros, dem Paro Dsong, findet alljährlich eines der größten und bedeutendsten Feste in Bhutan statt, das Paro-Tsechu. Tsechus allgemein scheinen auf den ersten Blick nicht mehr als eine Folklore-Veranstaltung, ähnlich einem Karnevall zu sein, für gläubige Buddhisten haben diese Feste jedoch eine zutiefst religiös-spirituelle Bedeutung und sind prägend für die Kultur Bhutans. Um diese und die bewegte Geschichte des Landes zu verstehen, jeder Bhutan-Reisende einmal ein Tsechu wie das in Paro gesehen haben. Sie helfen, die komplizierte Religiöse Vorstellungswelt des Lamaismus zu entschlüsseln, wie der tibetischen Buddhismus auch genannt wird.
Das Tsechu Festivall selbst ist viel älter als der Buddhismus. Ursprünglich wurde es im Frühling gefeiert, um symbolisch den Winter zu vertreiben und um Fruchtbarkeit des Bodens zu bitten. Zunächst wurden im Verlauf der Feier auch Tier- und sogar Menschenopfer dargebracht und es fanden rituelle Dämonenaustreibungen statt. Diese Zeremonien stammten aus der Zeit der Bön-Religion und wurden nach und nach durch buddhistische Rituale verdrängt. Inhaltlich ist dieser Konflikt zwischen alter und neuer Religion ein wichtiger Bestandteil der bis heute zelebrierten Maskentänze. Dargestellt wird dieser Konflikt durch die maskierten Mönche, die in ihren Tänzen den Kampf gegen die barbarischen, überholten Riten szenisch ausdrücken. Ein wichtiger Bestandteil des Lamaismus ist die ständige Belehrung der gläubigen Buddhisten, aus diesem Grund sollen ihnen sowohl freundliche, sanftmütige Gottheiten begegnen, aber auch die rachsüchtigen, furchterregenden Götter aus vorbuddhistischer Zeit. Den Gläubigen soll auf diese Weise geholfen werden, ein gesittetes Leben zu führen und den religiösen und moralischen Anforderungen gerecht werden zu können.
Das Paro Tsechu Festival dauert insgesamt fünf Tage und findet jeweils vom elften bis zum fünfzehnten Tag des zweiten Monats des bhutanesischen Kalenders statt. Der erste Teil des Festes findet traditionellerweise innerhalb der Klosterburg Paros statt, die anderen Sequenzen werden außerhalb des Gebäudes unter freiem Himmel dargestellt. Die gläubigen Bewohner des Paro-Tals finden sich am ersten Festivaltag bereits sehr früh morgens auf dem Gelände des Dsongs, der Klosterfeste, ein. Mittlerweile ist das Paro Tsechu nicht nur überregional bekannt, auch immer mehr ausländische Touristen nehmen daran teil, um die fremde Kultur hautnah zu erleben und eintauchen zu können in diese faszinierend bunte Welt voller Geheimnisse. Die meisten bhutanesischen tragen zu diesem Anlass ihre Festtagskleidung und die Frauen den kostbaren, sehr alten Familienschmuck, der aus verschiedenen farbigen Edelsteinen besteht. Neben dem Festplatz befindet sich ein Tempel und dahinter erwartet den Besucher ein atemberaubender Blich auf das Himalaja-Gebirge.
Aufgeführt werden die rituellen Tänze von den Mönchen, die sich durch verschiedene Rituale und intensive Meditation auf die Aufführungen vorbereiten. Durch die Masken, die sie während der Tänze tragen, werden sie symbolisch zu den dargestellten Gottheiten, was eine enorme physische und psychische Herausforderung für die Tänzer bedeutet. Die Masken, so glauben die Buddhisten, besitzen magische Kräfte, weil sie Menschen für kurze Zeit in Götter verwandeln können.
Das Paro Kloster Fest beginnt mit dem traditionellen Eröffnungstanz für den Totengott Shinji, der auch Yama genannt wird. Zwei Tänzer stehen dabei im Fokus der Aufmerksamkeit.
Die Besuchermenge sammelt sich für den Eröffnungstanz im Innenhof der Klosterburg. Begleitet von Handtrommeln ziehen alle Beteiligten zum Festgelände. Mönche, die sich als Priester und Geisteraustreiber maskiert haben versuchen tanzend, Dämonen und böse Geister zu vertreiben. Vom Balkon des Klosters aus stimmen einige Mönche Sakralgesänge an und eröffnen damit die heiligen Tänze und Zeremonien.
Der erste Tanz ist dem Totengott Shinji gewidmet. Einer der Mönche stellt diesen in seiner männlichen Form, dem „Yab“ dar, ein anderer symbolisiert dessen weibliche Erscheinung, den „Yum“. Die beiden Tänzer bewegen sich kreisförmig, mal schnell und mal langsam. Die tanzenden Mönche tragen wertvolle, sehr alte Brokatgewänder und Tiermasken. Die Masken gleichen verzerrten Fratzen, geschmückt sind sie mit Totenköpfen und einem dritten Auge in Stirnhöhe.
Die Gegensätzlichkeit von Yab und Yum ist ein altes tantrisches Motiv und tief im buddhistischen Glauben verwurzelt. Bis heute spielt dieses Motiv im Lamaismus Bhutans eine große Rolle. Gleichzeitig repräsentieren die beiden Geschlechter die Weisheit Buddhas auf der einen und den großen Herren des Totenreichs, Shinji Gap auf der anderen Seite. Inhaltlich geht es bei dem Tanz um die Position, die Jamba Yang als Herr über die Toten einnimmt. Er herrscht über die drei Welten und beschützt die vier Kontinente vor bösen Mächten. Bevor die Götter der Weisheit die Erde erreichen, segnet er die Kontinente.
Nun folgt der Durdag, der Tanz der Wächtergötter über den Friedhof. Die tanzenden Mönche tragen weiße Masken in Totenkopfform, dazu kurze Hemden und Stiefel. Ins Leben gerufen wurde dieser Tanz von Shabdrung Ngawang Namgyel, dem legendären Gründer des Landes Bhutans aus dem 15. Jahrhundert. 1620 gründete er das berühmte Kloster Cheri, eines der bekanntesten religiösen Zentren Bhutans. Die Hüter der buddhistischen Religion werden von den Tänzern dargestellt. Diese Wächter existieren laut Mythologie auf den acht Friedhöfen am äußersten Rand des symbolträchtigen Berges Meru.
Der nächste Tanz heißt „Zshana“ und wird auch „Tanz der schwarzen Hüte“ genannt. Demensprechend düster fällt auch die Kostümierung aus. Die Tänzer tragen große, schwarze Hüte zu Fellstiefeln und den traditionellen farbenprächtigen Brokatgewändern. Die Hüte fallen tief ins Gesicht. Die Tänzer tragen außerdem Schürzen mit einem Bildnis, welches die Schutzgottheit darstellen soll. Deren Abbilder werden in einer Kapelle aufbewahrt, der „Goenkhang“. Die mit schwarzen Hüten bekleideten Tänzer nehmen die Gestalt von Yogis an, also von Meistern der tantrischen Meditation. Diese können durch ihre Macht sowohl töten als auch Tote wieder lebendig werden lassen.
Für gläubige Buddhisten sind die Gesten, welche die Tänzer mit ihren Händen ausführen, heilige, mystische Zeichen, sogenannte Mudras. Ihre Füße, mit denen sie rhythmisch auf den Boden stampfen, bilden ein Mandala. Anschließend zerstören die Tänzer symbolisch die Dämonen, indem sie sie zerstückeln. Dabei nehmen sie die Erde in Besitz mit dem Ziel, sie zu beschützen und führen einen Tanzschritt aus, der einem Donnerschlag gleicht um ihre Machtposition zu demonstrieren. Bereits Shabdrung persönlich soll dieses Ritual durchgeführt haben, was dessen Bedeutung noch unterstreicht. Diese zeremonielle Handlung gilt als heilig, sie wird auch als rituelle Reinigung des Bodens genutzt um Dzongs und Tempel zu weihen. Das Ziel ist die Beschwichtigung der grausamen Geschöpfe der Erde.
Nach dem Zshana wird der Dramitse Nga Cham aufgeführt, der „Tanz der Trommeln von Dramitse“. Die Mönche tragen bei diesem Tanz verschiedene Tiermasken, die unterschiedlich gestaltet sind. Der untere Teil des Körpers ist mit einem knielangen gelben Rock bekleidet. In den Händen halten die Tanzenden große Trommeln und gebogene Trommelstöcke. Im Tanz wird der große Lama Kuenga Gyeltshen dargestellt, der Sohn des berühmten Schatzsuchers Pema Lingpa. Während einer tiefen Meditationsphase hatte er eine Vision von Guru Rimpoche und dessen himmlischen Paradies, dem „Zangtho Pelri“. Die Diener des Guru Rimpoche nehmen die Gestalt von 100 friedfertigen oder grausamen Göttern an. Die Trommeln in ihren Händen schlagend führen sie einen Tanz auf, welcher den Lama Kungs Gyeltshen sehr beeindruckt.
Der Legende nach sucht der Lama daraufhin Dramitse Goemba im östlichen Bhutan auf. Dort lebt dessen Schwester als Nonne, sie bewahrt den Tanz, den er in seiner Vision gesehen hatte vor dem Vergessen.
Die Tänzer tragen erneut Tiermasken und mittellange gelbe Röcke. Die acht Geister, welche im Tanz verehrt werden, sind die Herrscher über die drei Welten, nämlich Unterwelt, Himmel und Erde. Von den Geistern gibt es jeweils mehrere, nämlich die Mamos, die Gyelpos, die Shinjis, die Yaksas, die Dus, die Lhas, die Tsens und die Lus. Die Geister gehören zu den bösartigen, unberechenbaren Gottheiten des tibetischen Buddhismus, welche ständig und unaufhaltsam empfindsame Seelen quälen und dabei großes Leid hervorrufen.
Die Not kann gelindert werden, wenn beispielsweise der mächtige Gott Yeshy Gompo eingreift und sich gegen die Terrorherrschaft der acht Geister auflehnt. Er übernimmt die Führung der Geister und bringt sie wieder unter Kontrolle. So werden die bösartigen Gottarten überwältigt und der Frieden und das Gleichgewicht kann wieder hergestellt werden. Die empfindsamen, sensiblen Wesen der Welt können aufatmen und wieder in Frieden und Freude leben, was sie in einem Freudentanz unter großem Jubel ausdrücken. Damit hat die Lehre des großen Buddhas erneut gesiegt und sich durchgesetzt. Um sicherzustellen, dass der Glauben und die Weisheit wiedergeboren werden können, wurde der Tanz ursprünglich aufgeführt von den Göttern, die sich für diesen Zweck in das Erscheinungsbild der Gottheiten verwandelten.
Die Tänze des zweiten Tages werden mit religiösen Gesängen abgeschlossen. Die Mönche tragen dafür gelbe Hemden, lange, schwarze Gewänder, einen braunen Umhang, Filzstiefel, einen runden Kopfschmuck und ein traditionelles Schwert. Der Tanz, welcher die Hymnen begleitet, wird aufgeführt in Gedenken an die Öffnung des Tors zur Pilgerstätte Tsaris in Tibet durch Tsangpa Jarey, den Begründer der Drukpa Lehre. Die Kostüme gleichen denen des Gitarren-Tanzes.
Der dritte Tag steht erneut unter dem Zeichen des Kampfes gut gegen böse. Dem aufmerksamen Beobachter wird auffallen, dass sich einige Tänze der ersten beiden Tage wiederholen. Dadurch soll der ewige Zyklus der Ereignisse verdeutlicht werden.
Zu Beginn des dritten Tages wird der Eröffnungstanz des ersten Tages erneut aufgeführt. Dann folgt der Zshanga Nga Cham, der „Tanz der Schwarzen Hüte mit Trommeln“. Die Mönche tragen erneut bereits bekannte Kostüme, den großen schwarzen Hut, Filzstiefel und das bunte Brokatgewand. In den Händeln halten sie traditionelle Trommeln. Im Tanz wird der Sieg der Religion über deren Feinde gefeiert. Die Trommeln und ihr Klang stehen dabei für den Buddhismus, der keine sichtbare Erscheinungsform annimmt und dementsprechend nicht anders ausgedrückt werden kann.
Es folgt der Tanz der drei Gestaltungsformen der Ging, Gesandte des Guru Rimpoche. Der Ginsum tritt mit Stöcken auf, der Juging mit einem Schwert und der Driging mit Trommeln. Neben den bereits bekannten Röcken in Knielänge tragen die Tänzer bei diesem Tanz Tiermasken (beim Tanz mit den Stöcken) oder furchteinflößende Masken (beim Trommel- und Schwerttanz). Zangtho Paleri, das himmlische Paradies des Guru Rimpoche soll bildlich dargestellt werden, so wie Pema Lingpa es sich vorgestellt hat. Die Mönche zeigen, wie die bösen Dämonen besiegt werden, welche sich der Religion in den Weg zu stellen versuchen. Als diese versuchen zu fliehen, gelingt es den Gings, die mit den Stöcken ausgestattest sind dank ihrer Weisheit sie aufzuhalten und zu stellen. Mit dem Haken des Mitleids werden sie gefangen und anschließend mit dem Stock der Weisheit geschlagen und mit der Schlinge der Barmherzigkeit gefesselt. Die Herrscher über die Friedhöfe erscheinen und bringen eine Kiste mit, in der sich Körper und Seele der Dämonengötter befinden. Nun reinigt der Ging, der im Besitz des Schwertes ist die Umwelt von allem Bösen, welches die Dämonen verschuldet haben. Es folgt ein Jubeltanz der Gings mit den Trommeln.
Das Programm wird fortgesetzt mit zwei bekannten Tänzen, dem Durdag (Tanz des Herren über den Friedhof), welcher bereits als zweiter Tanz am ersten Festivaltag aufgeführt wurde und dem Driging und dem Ngaging, dem neunten Tanz des zweiten Tages.
Der nächste neue Tanz heißt Shawa Sachhi (Tanz der Hirsche und Hunde). Zunächst wird nur der erste Teil dieses Tanzes aufgeführt. Die Tänzer tragen Hunde- und Hirschmasken. Der Tanz thematisiert die Wandlung des Buddhismus durch den Jäger Gonpo Dorji. Der Tanz gleicht einem Theaterstück mit zwei Akten. Der Erste Teil des Tanzes spielt am zweiten Tag des Paro Tsechus, der zweite Teil am dritten Tag des Festivals. Der erste Teil ist weniger ernst und dramatisch als die bisherigen Tänze und enthält komische Elemente. Die Diener des Jägers scherzen mit Clowns, als Jäger mit einer Blätterkrone erscheint. Er trägt einen Bogen mit Pfeilen mit sich und wird von seinem Hund begleitet. Die Scherze gegenüber ihren Herren seitens der Diener werden immer derber und respektloser. Der Jäger muss vor der Jagd einige spirituelle Rituale durchführen und dabei um Jagdglück bitten. Ein herbeigerufener Priester führt die Rituale durch. Er macht diese Aufgabe jedoch völlig falsch und Clowns, die Atsaras, fahren gemeinsamen mit den Bediensteten mit den Scherzen fort. Damit ist der erste Teil dieses Tanzes vorüber.
Gleicher Tanz wie an Tag eins und zwei
Es folgt der Tungam, der Tanz der furchterregenden Gottheiten. Der Tanz zeigt die Erlösung aller Geschöpfe durch das Erscheinen Zangthos Pelris. Der sehr dramatische Tanz hat eine tiefe religiöse und auch symbolische Bedeutung, da ein Opfermord dargestellt wird. Zunächst versuchen die Götter die bösen Geister einzukreisen. Dann tötet Guru Rimpoche in Gestalt des Dorji Drakpo mit Hilfe eines rituellen Dolches die Dämonen. Damit hat er die Welt gerettet und die Dämonen für immer erlöst.
Es folgt der Guan Drug Pawos, der „Tanz der geschmückten Helden“. Die Pawos sind Medien, die mit fünf verschiedenen Knochenschmuckstücken geschmückt sind und außerdem kleine Trommeln und Glöckchen festhalten. Sie tanzen, um sowohl von den Göttern als auch von den Gläubigen gesehen zu werden. Durch den Klang ihrer Instrumente berufen sie die Versammlung der Götter und Tantras ein und führen die Menschen auf den Pfad der Freiheit, welche im Kreislauf der Wiedergeburt gefangen sind.
Der nächste Tanz ist der Kyecham, der Tanz der adeligen Herren und Damen. In dem Tanz werden Ereignisse aus dem Leben des Königs Norzang wiedergegeben. Bei dem tanz handelt es sich eher um ein etwas wirres und komisches Theaterstück. Die Handelnden sind ein älteres Pärchen, zwei Prinzessinnen und einige Atsaras (Clowns). Da der Prinz fortgehen muss, lässt er die Prinzessinnen zurück in der Obhut des älteren Paares. Sobald sie alleine sind, tollen die Clowns mit den adeligen Damen herum und ziehen auch die alte Frau lässt sich von der ausgelassenen Stimmung anstecken. Als der Prinz zurückkehrt ist er schockiert über das nicht standesgemäße Benehmen der Frauen und der Anstandsdame, die ihre Aufgabe nicht erfüllt hat, wird zur Strafe die Nase abgeschnitten. Der herbeigerufene Arzt, der die Nase wieder annähen soll, weigert sich zunächst, da die alte Dame unangenehm riecht. Schließlich muss der Arzt einen Stock benutzen, da er sich ihr nicht nähern will. Zu guter letzt aber heiratet der Prinz die beiden Prinzessinnen und alles ist gut.
Es folgt der zweite Teil des Tanzes der Hunde und Hirsche. Dieser ist nicht mehr komisch, sondern hochdramatisch. Der heilige Milarepa erscheint in seinem langen weißen Gewand und seinem schwarzen Hut, er hält einen Wanderstab in der Hand und singt leise und sanft. Der Jäger erscheint mit seinen Hunden und dem Hirsch, Milarepa zieht sie mit seinem Lied in seinen Bann. Sie vollziehen eine religiöse Wandlung und sind geläutert.
Der vierte Tag des Paro Tsechu Fest ist der vorletzte Festivaltag und die Tänze nehmen an Dramatik und Intensität zu. Nachdem der Tag wieder mit dem Eröffnungstanz des Festivals begonnen hat, folgt der Sha Cham, der „Tanz der vier Hirsche“. Die Tänzer tragen bei diesem Tanz neben ihren Masken auch Hirschgeweihe. Guru Rimpoche bezwingt den bösen Gott des Windes, der auf einem Hirsch reitend viel Unheil über die Welt bringt. Gleichzeitig herrscht der Gott des Windes über die nordwestliche Himmelrichtung. Nachdem Guru Rimpoche den bösartigen Gott besiegt hat, besteigt er zum Zeichen seines Triumphes dessen Hirsch und reitet auf ihm. Danach erweisen ihm die frommen Menschen Ehre und Dankbarkeit dafür, dass sie nun in Frieden leben können.
Der „Tanz des Gerichts über die Toten“, der Raksha Mangcham, folgt als nächstes. Er ist angelehnt an einige Sequenzen aus dem Bardo Theodrol, dem Totenbuch. Diese Textquelle wurde von Guru Rimpoche im 14. Jahrhundert wiederentdeckt, nachdem es schon als verschollen galt. Der Tanz ist einer der Höhenpunkte des Festivals und wird besonders von älteren Menschen verfolgt, die sich auf ihren eigenen bevorstehenden Tod vorbereiten wollen. Das Bardo ist eine Art Zwischenstation für die Toten auf dem Weg ins Jenseits. Dort warten die Verstorbenen darauf, dass Buddha ihnen Eintritt in das Paradies gewährt, in dem kein Leid herrscht.
Diese Möglichkeit haben natürlich nur gläubige Buddhisten, die ein ehrenvolles Leben geführt und die nach den Lehren Buddhas gelebt haben. Alle anderen müssen das weniger friedfertige Gesicht Buddhas fürchten, ihnen bleibt der Zutritt zum Paradies verwehrt.
Shinji Chhogyel, der Herr über die Toten, bewertet an der Pforte zum Paradies die guten und schlechten Taten der Verstorbenen und führt Gericht über ihr Schicksal. Ihm zur Seite stehen der weiße Gott und der schwarz Dämon. Auch einige andere weiße und schwarze Gottheiten sind bei der Gerichtsverhandlung anwesend, unter anderem ein vogelartiger Gott, der mit seinem Schwert die drei Gifte Neid, Wut und Ignoranz bekämpft. Auch ein löwenköpfiger Dämon und eine Gottheit mit einem Bärenkopf warten auf die Toten. Jeder dieser Gestalten richtet über bestimmte Verhaltensweisen und charakterliche Eigenschaften, die der Verstorbene zu Lebzeiten gezeigt oder nicht gezeigt hat. Die Aufgaben der Helfer des Totengottes erkennen die Zuschauer an den Gegenständen, welche die Tänzer in der Hand halten. Einer der Gottheiten trägt beispielsweise einen Spiegel mit sich, der alle guten und schlechten Taten reflektiert. Die Helfer des Tribunals heißen Rakshas und assistieren dem Richter, indem sie die Taten der der Toten in gute und schlechte Handlungen einordnen.
Das göttliche Tribunal bleibt keinem Verstorbenen erspart, doch nachdem sie für ihre Sünden zur Strafe gewisse Leiden ertragen mussten, werden sie erlöst. Der Tanz soll die Gläubigen auf den richtigen Weg bringen, indem er ihnen bildlich die Qualen vor Augen führt, die das göttliche Gericht ihnen zufügt, wenn sie nicht gemäß der Lehren des Buddhas leben. Wenn sie einst vor das Gericht treten, werden sie die Helfer Buddhas, die letztendlich Buddha selbst in einer anderen Rolle darstellen, wiedererkennen.
Der Sünder, dargestellt durch einen Mönch, welcher in ein schwarzes Gewand gekleidet ist und einen roten Hut auf dem Kopf trägt, versucht von Zeit zu Zeit zu fliehen, weil die Angst immer größer wird, doch jeder Fluchtversuch ist natürlich sinnlos. Die göttlichen Helfer streiten sich darum, ob der Mensch in die Hölle verbannt wird oder Eintritt ins Paradies erhält. Der Tanz endet versöhnlich, der Sünder wird von den weißen Gottheiten gerettet und darf zum Ärger der schwarz gekleideten Dämonen ins Paradies oder, wie die Buddhisten sagen, zu den reinen Feldern der Ewigkeit weiterziehen. Dabei wird er von Engeln begleitet.
Dieser Tanz ist sehr lang, er dauert zwei Stunden und kann eher als Theaterstück bezeichnet werden. Der Abschluss des vierten Tages ist die erneute Aufführung des Dramitse Nga Cham, dem Tanz, der bereits am ersten Tag des Tsechus präsentiert wurde.
Der letzte Tag des Festivals bildet zugleich den Höhepunkt der Tänze und Gesänge, der Kampf zwischen den guten und bösen Mächten findet sein Ende. Wird der Buddha mit Hilfe der Gestaltformen, die er annimmt, seine Feinde endgültig besiegen und die Menschen erlösen?
Das Entrollen des großen Paro Thongdrel, das Finale des Festivals, beginnt in den frühen Morgenstunden mit einer Shugdrel-Zeremonie. Den Zuschauern fällt sofort das riesige Bildnis ins Auge, welches Guru Rimpoche und seine acht Gestaltformen darstellt. Diese Abbildung, so glauben die Bhutanesen, ist das Werk der Götter, denn die Menschen wären nicht fähig eine solche herzustellen. Nur einmal im Jahr wird diese Abbildung enthüllt, anlässlich der religiösen Feiertage. Das Bild ist etwa 30 Meter lang und 20 Meter breit. Es wird vom Balkon des Tempels langsam entrollt. Ein Brand, welches das Kloster von Paro einst völlig zerstörte, verschonte das Bildnis- in den Augen der gläubigen Buddhisten ein Wunder. Seitdem gilt es als besonders heilig.
Die Shugdrel-Zeremonie ist ein Bestandteil aller Tsechus in Bhutan und soll die großartigen Taten und Werke des Drukpa in das Bewusstsein der Menschen rücken. Die Zeremonie besteht aus drei bis fünf Teilstücken, die die Säulen des Buddhismus in seiner Perfektion darstellen.
Es folgt der Heldentanz, der Pacham. Die Tänzer tragen eine goldene Krone auf dem Kopf und halten erneut die kleinen Trommeln und Glöckchen in ihren Händen. Gezeigt wird die Ankunft Pema Lingpas in Zangtho Pelri. Pema Lingpas trifft Guru Rimpoche im Kreise seiner Helfer an, er sitz in der Mitte eines Mandals, welche keine äußeren Begrenzungen hat. Das Mandala wurde aus Regenbogenstrahlen angefertigt. Der Tanz symbolisiert das Zusammentreffen der sterblichen Gläubigen mit Guru Rimpoche.
Der nächste Tanz am letzten Festivaltag ist der Tanz der Gings und Tsholings. Die Gings tragen orangene Kleidung und furchterregende schwarz-weiße Masken mit einer Flagge, die Tsholins tragen ebenfalls eher erschreckende Masken, aber lange, prächtige Gewänder. Der Ort, an dem der Tanz spielt, ist das erste Kloster Tibets. Guru Rimpoche selbst soll diesen Tanz angeregt haben um die Gläubigen mit dem himmlischen Reich des Zangtho Pelri vertraut zu machen. Die Gings und Tsholings zelebrieren ihren Tanz, um die Dämonen einzuschüchtern und ihnen ihre Macht zu demonstrieren. Sie stellen die Versammlung der Helden, Gottheiten und Feen dar, gleichzeitig aber auch die bösartigen, schwarzen Mächte. Der Tanz ist eine Zeremonie der Reinigung, welche auf die Ankunft des Guru Rimpoche vorbereiten soll. Um die bösen Geister zu vertreiben pfeifen die Zuschauer und die Ging schlagen mit den Stöcken auf ihre Köpfe, um die bösen Geister zu vertreiben und zu zerstören. Danach führen die Ging einen ausgelassenen Siegestanz auf, der vom Klang der Trommeln begleitet wird.
Es folgt der „Tanz der acht Manifestationen des Guru Rimpoche“, der Guru Tshen Gye. Diese acht Erscheinungsformen werden in diesem Tanz dargestellt. Guru Rimpoche wird von seinen beiden Begleitern Mandarava und Yeshy Tshogyal flankiert. Der Tanz ist wieder eher eine szenische Darstellung, die mit Musik unterlegt ist. Zunächst erscheint Dorji Drakpo in einem edlen Gewand und einer Maske mit einer verzerrten Fratze. Es folgen die acht Manifestationen des Guru Rimpoche, Tshokye Dorji, Loden Chogsey, Padsambhava, Padma Gyalpo, Nyema Yoezer, Shakya Senge uns Guru Rimpoche selbst. Begleitet werden die Manifestationen von sechzehn Feen, die vor ihnen einen Tanz aufführen. Danach erfolgt der Auszug aller in einer feierlichen Prozession.
Es folgt der vorletzte Tanz des Paro Tsechus, der Tanz der sechzehn Feen. Die Rigma Dhudrug, die sechzehn Feen, sind verschiedene Erscheinungsformen der gleichen Person.
Sie sind Göttinnen der Opfergaben, die sich in verschiedene Kategorien einteilen lassen. Diese lassen sich wiederum in sechzehn Unterkategorien unterteilen. So kommt die Zahl sechzehn zustande. Der Tanz soll Glückseligkeit zu den Menschen bringen, die an die Manifestationen des Ugyen Rimpoche glauben. Er ist Ausdruck für den ewigen Glauben an dessen ruhmreichen Taten, sowie an seine Seele, seine Worte und seinen Körper. Nach dem Tanz bringen die Zuschauer den unterschiedlichen Gestalten des Lamaismus persönliche gaben dar.
Der Abschlusstanz des Paro Kloster Festes ist der Chhoshey. Es handelt sich bei diesem Tanz um Bewegungen, welche von religiösen Gesängen begleitet werden. Der Tanz wurde bereits am ersten Festivaltag aufgeführt. Er dient zum Gedenken an die Öffnung des Tors zu den heiligen Stätten von Tsari im östlichen Tibet durch Tsangpa Jarey, den Gründer der Drukpa Philosophie. Die Kostüme ähneln denen des Gitarren-Tanzes, die Mönche tragen schwere Wollgewänder, braune Umhänge, Filzstiefel, einen Hut und ein Schwert.
Mit diesem letzten Tanz endet das Paro Tsechu Festival, eines der faszinierenden Ereignisse in der asiatischen Kultur und das mit bedeutendste religiöse Fest Bhutans. Die Mönche tanzen sich in einen Rausch und die Zuschauer werden gefangen genommen von der Macht der Musik und Farben. Bis auf die Gesänge finden die Aufführungen wortlos statt, trotzdem wird der Inhalt jedem Zuschauer übermittelt. Nicht umsonst ist der Besuch eines Tsechus ein Highlight bei jeder Bhutan Reise. Ein Festivaltag steht auf dem Programm der Bhutan Studienreisen BCT-Touristik –Angebote. Auch wenn die religiösen Zeremonien aus westlicher Sicht sicher nicht immer leicht verständlich sind, zumal der Buddhismus eine sehr komplexe Religion ist, so verfehlt ein Tsechu doch niemals seine Wirkung.
Für die Einheimischen bedeuten die Tänze eine Festigung ihres Glaubens und eine Stärkung des Vertrauens in die göttlichen Fügungen und Lehren, welche ihre Kultur und das Leben in ihrem kleinen Land nachhaltig beeinflussen. Die Bhutanesen sind mit den Botschaften der Tänze vertraut, sie wachsen damit auf.